HERBERT GRÖNEMEYER
Interview von THOMAS GROSS und CHRISTOF SIEMES (Die Zeit, 37/2002)
ÜBER SCHRÖDER KANN MAN NICHT SINGEN

Herbert Grönemeyer ist Deutschlands erfolgreichster Rockmusiker. Seine neue Platte "Mensch" bestätigt
dies. - Ein Gespräch über den Kanzler, die Krise des Pop und die Kunst zu trauern


Der VfL Bochum, Ihr alter Heimatverein, steht an der Spitze der Fußballbundesliga. Hätten Sie das für möglich gehalten?

Das find ich natürlich schrill. Nein, hätte ich nicht für möglich gehalten. Aber ich hab ja auch zum ersten Mal eine Nummer-
eins-Single in meinem Leben.

Mögen Sie es, auf Ihre Wurzeln im Ruhrgebiet angesprochen zu werden, auf die Lieder über Bochum und Currywurst?

Ich komm ja aus dem Ruhrgebiet. Da hab ich meine maßgeblichen Lebensthemen und Lebenszeilen kennen gelernt.
Ich würd sicher nicht dorthin zurückziehen, aber mich als Kind des Ruhrgebiets bezeichnen. Bis heute.

Welchen Grönemeyer-Klischees würde Herbert Grönemeyer gern entkommen?

Die Leute, die mich nicht kennen, denken vielleicht, ich sei ein mürrischer Grübler. Ich glaube aber, daß ich relativ heiter bin.
Vielleicht nicht auf der neuen Platte, aber grundsätzlich hab ich schon viele Lieder geschrieben, die weniger ernst gemeint
waren, als sie interpretiert wurden. Ich stelle meine Musik zur Debatte und hab auch nichts dagegen, wenn Leute mich nicht
mögen. Das zeigt ja, dass irgend 'ne Kante da ist, an der man sich reiben kann. Aber ich will keinen Klischees entkommen.

Der Springsteen von der Ruhr?

Ich kenne Bruce Springsteen zu wenig. Ich bin auch weniger rockig, bin Keyboarder, Pianist, mach ganz andere Musik. Mit
Bob Dylan könnte ich mehr anfangen. Aber ich bin auch kein Dylan. Ich bin Herbert Grönemeyer.

Kann nicht tanzen, kann nicht singen, ist aber eine ehrliche Haut.

Pina Bausch, mit der ich in den Siebzigern am Bochumer Schauspielhaus ein Stück gemacht habe, hat mal gesagt: Der
Herr Grönemeyer? Der konnte ganz hervorragend tanzen! Es gibt aber auch Auftritte von mir, wo ich mich richtig erschreckt
habe. Auf der Bühne war ich früher relativ verspannt. Ein Nurejew wäre aus mir nicht geworden.

Grönemeyer - der Volkstribun des Deutschrocks.

Find ich ganz furchtbar. Volkssänger, der Begriff, den Rio Reiser geprägt hat, damit kann ich was anfangen. Ich singe über
Deutschland, ich mache mir Gedanken über das Land.

Und der Zeigefinger ist immer dabei.

Beide. Wie auch mein Kopf und mein Herz. Ich hab auf Bochum ein Lied über Männer gemacht, über Flugzeuge im Bauch,
über Alkohol. Eins gegen die Stationierung der Pershing. Ich bin nicht die Verlängerung der Degenhardts und Süverkrüps.

Aus welchem Impuls heraus schreibt man ein politisches Stück?

Man muß sich hüten, politische Lieder zu schreiben, nur weil man meint, sie schreiben zu müssen. Wenn mich ein Thema
interessiert, schreibe ich darüber. Ich bin nicht bei jeder Demo, bei jeder Unterschriftenliste dabei.

Sie waren mal ein begeisterter Kohl-Hasser, der mit der Zeile "Ein Lächeln liegt auf diesem Land, fast unerträglich ignorant"
bei der CDU auf den Index gelangte. Fehlt heute ein Feind?


Kohl hatte zumindest noch eine spießige Werteeinstellung, war ein unheimlicher Machtsicherer, der um sich rum zensiert
hat, worüber man ja auch nie redet. Die Schwarzgeldaffäre ist nicht aufgeklärt, und ich vermute auch nach wie vor, daß sie
Barschel umgebracht haben. Aber Schröder und Stoiber haben eben keine Ecken und Kanten, die sind einfach stromlinien-
förmig. Durchgangspolitiker.

Deshalb gibt es auch keinen Schröder-Song von Grönemeyer?

Über Schröder kann man nicht singen. Schröder ist ein Ersatz- Kohl. Der fand den Kohl immer klasse. Schröder wollte
nichts anderes als auch mal in die Charts.

Der Kanzler hat vor kurzem behauptet, er kenne in Berlin "so ziemlich jede Currywurstbude". Hat er das von Grönemeyer?

Von mir hat er das nicht. Ich würde mich freuen, einen Kanzler zu sehen, der eine Idee hat, eine Vision entwickelt. Das ist
auch das, was die Menschen im Osten so verzweifelt macht. Die spüren, da ist keine Substanz. Nichts zu holen, null.

Daß Schröder im Kanzleramt mit den Scorpions Würstchen ißt, stimmt Sie auch nicht milder?

Was habe ich mit Schröders Würstchen zu tun? Das ist für mich dasselbe Vorgehen wie von Kohl, der zu Bärbel Bohley
ging und sagte: Passen Sie auf, ich trink hier kurz mit Ihnen Kaffee. Und damit hat er versucht, sie zu verschlucken.

Wären Sie hingegangen, wenn Schröder Sie eingeladen hätte?

Mit Sicherheit nicht. In den letzten Monaten gab's die dubiosesten Einladungen: der Medienzukunft, der Popkultur. Augen-
scheinliche Versuche, einen zu benutzen. Das finde ich banal.

Wieso kann es in England wahlentscheidend sein, sich mit Rockstars zu zeigen, in Deutschland aber nicht?

Weil wir noch gar keine wirkliche Demokratie haben. Weil Deutschland sich erst in der Pubertät befindet. Wir sind seit der
Wiedervereinigung zwölf Jahre alt und haben noch überhaupt kein Verständnis für das Land. Genauso die Musikszene:
Deutsche machen bessere Texte als Engländer, aber diese Leichtigkeit - bei uns wird das noch 50 oder 100 Jahre dauern.

Sie mögen mediengewandte Politiker nicht. Aber parallel zum neuen Politikstil entwickelte sich auch ein neuer weg vom
Öko-Image, hin zum Mann im Helmut-Lang-Anzug
.

Hm. Ich hatte schon als Öko Anzüge. Die Themen, die in den Achtzigern akut waren, sind nicht minder akut, aber das
Hauptthema ist die Wiedervereinigung. Durch die Flutkatastrophe, die existentiellen Nöte der Menschen entdecken die
beiden Kandidaten auf den letzten Metern plötzlich wieder, daß es den Osten gibt. Und das ist genau das Thema, wovon
meine Platten in den letzten zwölf Jahren gehandelt haben. In der SPD oder auch der CDU hätte man Wege finden müssen,
wie man sich den Menschen im Osten nähert und gemeinsam eine Vision für dieses zerrissene Land findet. Ohne daß einen
die Not eint.

Dann ist der engagierte Rock gar nicht in eine Krise geraten?

Nein. Die Wiedervereinigung ist ein viel komplizierteres Thema, dagegen sind Wiederaufbereitungsanlagen und AKWs ver-
blaßt. Die Rockmusik, die deutsche Szene, von Elektronik und Techno bis HipHop, war noch nie so stark wie seit den Neun-
zigern.

Sie haben mal gesagt, in London, wo Sie seit Jahren leben, sei Ihnen klar geworden, wie deutsch Sie eigentlich sind.

Logisch. Wenn man zum Beispiel den deutschen Hang zum Verbessern nimmt. Da fällt einem von morgens bis abends was
ein, weil England faszinierend unperfekt ist. Aber mit Besserwisserei stößt man da schnell an seine Grenzen. Wenn du
sagst: Aber in euren Krankenhäusern geht alles drunter und drüber!, sagen die: Ja, aber so ist es nun mal. Entspann dich,
trink 'n Bier, und halt 's Maul. Das Verständnis der Engländer für ihr Land ist anders. Wir Deutschen glauben: Wenn wir jetzt
den Falschen wählen, geht das Land unter. Die Engländer sagen: Thatcher hat viel Unsinn angerichtet, und der Blair ist auch
nicht viel besser. Aber sie fühlen sich selbst verantwortlich.

Die Deutschen sind immer noch Untertanen.

Bedingt. Diese Haltung: "Die da oben!" Ich glaube, ein Engländer sieht sich als Demokrat viel stärker als Bestandteil seines
Landes.

Die Band Tocotronic singt: "Über Sex kann man nur auf Englisch singen."

Ja, weil die Engländer keinen haben! Beim englischen Small Talk redet man am Wesentlichen vorbei.

In Ihrem aktuellen Deutschland-Lied Neuland heißt es einmal: "Vergeude nicht dein Talent." Was wäre denn das deutsche
Talent?


Daß beide Seiten ihre Erfahrungen abgleichen und herausfinden, was wir miteinander hinkriegen können, damit dieses Land
eine neue, eine ganz andere Lebendigkeit kriegt. Die Leute im Osten wahrnehmen in ihrer Kultur, nicht bloß die Hochwas-
serkatastrophe und nicht bloß als die, die den Solidaritätszuschlag kassieren. Ich hab 1993 in Chaos gesungen, daß in der
Öffnung des Ostens eine unglaubliche Chance liegt. Die Zukunft Europas und speziell Deutschlands liegt nicht nur im
Westen, die liegt ganz entscheidend im Osten, in Tschechien, Polen und Rußland.

Nun heißt die neue Platte nicht "Europa", sondern "Mensch". Zieht es Sie zu den letzten Dingen?

Ich als Westentaschenphilosoph? Aber gut, ich erkläre dieses Jahrhundert persönlich zum Jahrhundert der Menschlichkeit.
Ich glaube, daß diese Sehnsucht nach menschlicher Nähe extrem groß ist. Und daß man auf der einen Seite durch die Glo-
balisierung, auf der anderen Seite durch die Anschläge in Amerika merkt, wie eng wir miteinander verknüpft sind. Was bleibt,
ist die menschliche Nähe.

War diese Einsicht ein Halt für Sie, als vor vier Jahren Ihre Frau und Ihr Bruder starben?

Durch diese Katastrophe hat sich mein Menschenbild bestätigt. Die positivste Erfahrung in dieser ganz schweren Zeit war,
daß der Mensch in solchen Situationen wahnsinnig viel leisten kann, indem er gar nicht viel macht, sondern einfach da ist.

Ist "Mensch" eine Trauerarbeitsplatte?

Das Wort find ich grauenvoll. Trauerarbeit, das klingt deutsch. Es gibt keine Trauerarbeit, es gibt bloß Trauer. Man trauert,
und es hört nie auf.

Das bedeutet Stillstand.

Nein. Vielleicht schafft man es irgendwann, die Trauer in eine Perspektive zu setzen. Trauer und Tod gehören zum Leben,
sie können es schaffen, als Bestandteil des Lebens akzeptiert zu werden. Der eine erlebt das früher, der andere in der Mitte
des Lebens. Man kann Trauer nicht verarbeiten und auch nicht wegarbeiten. Die bleibt.

Ist es schwierig, ein Lied wie Der Weg über Ihre Frau zu schreiben und irgendwann auf der Bühne zu singen? Schwieriger
als bei anderen Liedern?


Ja, sicher. Letzten Endes geht es um den Versuch, sich dem Gefühl zu nähern, ohne voyeuristisch zu sein.

Hätten es nicht gerade bei dem Stück ein paar Streicher weniger getan?

Wieso? Ich hab immer Respekt vor Streichern gehabt, weil sie in Verbindung mit deutscher Sprache schnell pathetisch
klingen. Es bleibt eine unglaubliche Gratwanderung. Man sucht sich neue musikalische Herausforderungen. Ich beurteile die
aber nicht danach, ob sie jetzt progressiv rebellisch sind. Ich integriere einfach neue Teile.

Der Song "Dort und hier" hat den Knistersound eines alten Plattenspielers, bei "Blick zurück" setzen Sie einen Stimm-
verzerrer ein. Wollten Sie endlich mal nicht mehr klingen wie Herbert Grönemeyer?


Doch, immer mehr. Man geht nicht so analytisch ran und sagt: Ich mach jetzt was, das ungewöhnlich klingt. Man fragt nur:
Wie krieg ich hin, dass die Nummer interessant klingt?

Also auch keine Persiflage auf die technische Perfektion, das Synthetische vieler Produktionen?

Wir haben die Platte in einem ganz kleinen Raum aufgenommen. Sie sollte ein bißchen klingen wie in der Garage. Damit sie
ihre Intimität behält und nicht so durchpoliert klingt.

Sie haben einen geradezu verzweifelten Modernitätsanspruch: Nie stehen bleiben, immer auf der Höhe der Zeit sein.

Alles andere wäre ja furchtbar. Es gab eine Zeit Anfang der Neunziger, als ich "Luxus" machte, da bestand die Gefahr des
Stillstands. Mit jeder Platte versuche ich Neuland zu betreten, mich infrage zu stellen, ein Risiko einzugehen. Wir gewinnen
viele Leute, die Grönemeyer vorher grausam fanden. Wie jetzt bei der Single Mensch. Da sagt mein Neffe, der in der HipHop-
Szene im Ruhrgebiet ist: Die Nummer ist cool. Natürlich freut einen das.

Immer weiter und hart dafür arbeiten - das klingt verdammt protestantisch.

Natürlich. Ich bin ein protestantisches Kind. Mein Vater hat als einer von wenigen Jungen eine katholische Mädchenschule
besucht - und das als Calvinist, das ist ja noch die verschärfte Variante! Dieser preußische Protestantismus steckt auch in
mir.

In den letzten Jahren haben sie beinahe inflationär den Begriff Drum 'n' Baß gebraucht. Waren Sie auf der Flucht vor der
Vergangenheit? War das der Versuch, an die DJ-Culture anzudocken?


Ich bin kein DJ, ich bin Keyboarder. Ich mag Musik, und wenn die nun mal Drum 'n' Baß heißt, sag ich das auch.

Hätten Sie als harter Arbeiter heute eine Chance beim Casting für den RTL Teen Star?

Bestimmt! Die hätten auf mich gewartet. Gecastete Bands oder Plastikbands gab es doch immer. Mich interessiert das alles
nicht sehr. Die sprechen doch meist ganz andere Leute an. Man macht seine eigene Musik, und die muß so gut wie möglich
sein. Ich mache das seit 20 Jahren und werde immer besser.

Ärgert Sie der Erfolg von synthetischen Bands wie "No Angels" oder "Bro'Sis"?

Nein. Was Substanz hat, wird letztlich immer überleben. Das sieht man ja auch bei Stars wie Robbie Williams, der kommt
aus einer gecasteten Band. Es wird immer daneben die Sehnsucht geben, etwas Nichtsynthetisches zu haben.

Zuletzt haben Sie auch neue Rollen ausprobiert: Mentor jüngerer Musiker, Label-Betreiber, Pophistoriker. Ist das der Versuch, dem eigenen Erfolg gute Taten zur Seite zu stellen?

Nein. Ich bin nicht der Gutmensch. Ich wollte ein Label, weil ich selber Musiker bin und weiß, was für Probleme die haben,
welchen Umgang sie mögen. Dafür wollte ich eine Instanz schaffen. Die Plattenfirmen haben das völlig verloren, sind an die
Börse gegangen, kümmern sich nur noch um den Shareholder-Value: Wer kauft mich morgen, wie krieg ich noch 250 Plätze
wegrationalisiert? Da geht keiner mehr ein Risiko ein für eine junge Band, weil sie alle Angst haben.

Denken Sie daran, daß die deutsche EMI ohne Sie dichtmachen müßte?

Die EMI hat mich damals aufgenommen, als Intercord mir gekündigt hatte und meinte, ich sollte das ganz lassen mit dem
Singen. Dann kam ich zur EMI ausgerechnet mit Bochum, wo die doch denken mußten: O Gott, er hat schon keinen Erfolg,
jetzt singt er auch noch über Bochum! Das kauft schon in Wanne-Eickel keiner mehr. Natürlich freue ich mich jetzt mit de-
nen, daß die Platte so ein Erfolg ist. Ich häng an denen.

Ist die Branche selbst schuld an der Krise?

Ja, auch. Die Branche hat durch die CDs Ende der Achtziger wahnsinnige Umsätze gemacht und extrem abgesahnt. Sie
haben die Bands auf LP-Basis abgerechnet. Eine LP kostete 17 Mark, eine CD 30, und die Differenz war zusätzlicher Ge-
winn. Wenn ein Talentscout sagte: Ich hab hier 'ne junge Band, die wollen eine Platte machen, die kostet 22 000 Mark. Da
haben die Bosse doch gesagt: Mit was für Problemen kommst du denn an? Wir machen hier gerade Phil Collins! Aber der
Tonträger, der ihnen damals die Profite gebracht hat, hat sich jetzt als schnell kopierbar entpuppt.

Was halten Sie von der Schwarzbrennerei?

Es wird gemein, wenn jemand mit meiner Platte im Netz und mit Raubkopien Geld verdient. Ich kann verstehen, daß die Ju-
gendlichen nicht jede neue CD für 17 Euro kaufen können und sich eigene CDs zusammenstellen. Ich seh das bei meinen
Kindern und finde es auch völlig in Ordnung. Aber die gehen nur selten hin und kopieren ganze Platten.

Laden Sie sich Files runter?

Nein, ich bin nicht oft im Netz. Nicht weil ich das moralisch ablehne. Surfen geht mir auf die Nerven.

Der Kampf gegen Raubkopisten ist nicht zu gewinnen. Müssen nicht einfach die CDs billiger werden?

Das hätte man schon Anfang der Neunziger machen müssen. Das wird auch irgendwann kommen, aber davor müssen erst
die Apparate wieder kleiner werden. Warum aber gibt es nicht bei der CD eine Preisstaffelung? Daß Newcomer billiger sind
als die Stars? Dafür ist die Industrie zu unflexibel. Mit einer Industrie, die sich mit Kunst beschäftigt, an die Börse zu gehen -
das ist ein großer Fehler. Ein Künstler kann nicht jedes Jahr ein gutes Buch schreiben, und eine Plattenfirma kann nicht je-
des Jahr Gewinne machen. Die Ersten, die Mut haben, steigen aus der Börse wieder aus.

Können Sie Einfluß auf den Preis Ihrer Platte nehmen?

Schwer. Das kann ich nur, wenn ich meine Platten selber veröffentliche, wenn mein Vertrag beendet ist.

Haben Sie das vor?

Das ist eine Perspektive, ja. Dafür hab ich ja ein Label.

Und was ist mit den Eintrittspreisen für Ihre Konzerte?

Die kalkulier ich selber, seit 20 Jahren. Wir nehmen 23 Euro. Das ist extrem niedrig für eine Produktion mit neun Trucks. An-
dere nehmen inzwischen an die 100 Euro. Obwohl auch ich gar nichts dagegen hab, Geld zu verdienen.

Auf der Popkomm wurde wieder mal darüber diskutiert, die deutsche Musikindustrie mit einer Radioquote für deutsche Mu-
sik zu unterstützen. Was halten Sie davon?


Die deutsche Szene wird sich auch ohne Radioquote etablieren. Als Beispiel werden immer die Franzosen genannt, bei de-
nen das angeblich sehr gut funktioniert. Aber dann muß man sich auch mal anhören, was die im Radio dudeln! Was es ge-
ben müßte, ist eine Quote für Newcomer. Durch die Formatierung der Sender gibt es keinen Platz für junge Bands. Jeder
Sender sollte verpflichtet werden, einen Teil im wöchentlichen Programm zu haben, wo ausschließlich neue Sachen gespielt
werden.

Sie haben mal ein Zukunftsbild von sich entworfen: mit Schmerbauch und weißem Schal in der Kurmuschel von Helgoland, Männer singend.

Das war ein Witz. Meine Vision ist, das zu intensivieren, was meine Musik ausmacht. Immer präziser, immer grönemeye-
rischer zu werden. Ich würde gern auch im Ausland deutsch singen. In England mit meinem Programm auftreten. Keiner
versteht ein Wort, und es geht trotzdem.