HERBERT GRÖNEMEYER
Interview (Playboy, Mai 1986)
12 Fragen über Machos, Musik und die Macht der Medien

Wie fühlt man sich als Multi-Media-Talent?


Ob ich Talent habe, sollen andere beurteilen. Ich will mich jedenfalls nicht in irgendeine Schublade stopfen lassen. Fest
steht, daß ich mich als Musiker wohl fühle. Weil ich keinen guten Texter fand, habe ich das halt selbst gemacht. Die
Schauspielerei kam zufällig dazu, das habe ich nie gelernt. Für mich gehört das aber heute alles zusammen.. Ich kann
meine Kraft ganz gut aufteilen.

Wo finden Sie die Themen zu Ihren Songs?

Im Alltag. Dinge, die mich bewegen, über die ich nachdenke. Wenn das dann im Trend liegt, um so besser, doch darum
gehts mir eigentlich nicht. Ich habe ein paarmal probiert gezielt auf den Zeitgeist zu schreiben, aber das ging in die Hose. Es
muß schon etwas sein, das mich direkt berührt. Wenn ich zum Beispiel unseren Kanzler immer wieder so penetrant lächeln
sehe, da werde ich wahnsinnig. Und das schreibe ich mir dann von der Seele.

Haben Sie eine Botschaft?

Ich will bewirken, daß die Menschen mehr in Frage stellen, auch sich selber und ihre Idole. Das ist wirklich ein Problem bei
uns in Deutschland: Man lächelt selbstzufrieden vor sich hin und begreift gar nicht, wie gefährlich es werden kann, der Sehn-
sucht nach einer Leitfigur nachzuhängen.

Sind sie mit Ihrem Image zufrieden?

Daß ich aussehe wie Bübchen, dafür kann ich nichts. In meinen Liedern erzähle ich ja genug von mir. Daß mich trotzdem
der eine für einen arroganten Schnösel hält, der andere für einen duften Kumpel, kann ich nicht beeinflussen. Ich feile an
meiner Musik, nicht an meinem Image.

Werden Sie auf der Straße erkannt?

Ja, manchmal ergeben sich daraus sogar witzige Kontakte. Nur wenn einer besitzergreifend wird, so als hätte er mich mit
den Rundfunkgebühren eingekauft, das nervt dann, und da blocke ich rigoros ab.

Hat der Erfolg sie verändert?

Klar, wer Erfolg hat, wer bekannt wird, wird von der Öffentlichkeit vereinnahmt. Das ist auch ganz in Ordnung. Aber als Folge
davon muß man sich permanent mit sich selbst beschäftigen, wird dauernd irgendwie gefordert. Das ist ein ziemlich radikaler
Prozeß. Man kriegt da binnen relativ kurzer Zeit so eine geballte Dosis an Erfahrungen verabreicht, und das macht skep-
tisch. Im Kopf altert man schneller. Ich habe an mir gemerkt, daß ich unduldsamer geworden bin. Da muß ich aufpassen.
Nun habe ich allerdings das Glück, daß meine engen Freunde mich schonungslos kritisieren, das tut mir gut.

Dürfen Sie noch ungeschminkt Ihre Meinung sagen, beispielsweise über das deutsche Fernsehen?


Und ob. Meiner Meinung nach haben sich die Redakteure in den Sendern den Schneid abkaufen lassen. Diese Leisetreterei
vor den politischen Gremien ist doch lachhaft. Den Politikerinterviews fehlt der Biß. Von den Drehbüchern für Filme und Fern-
sehspiele werden ängstlich alle Kanten abgeschliffen. Und die Unterhaltung wird auch immer seichter. Dann noch zu behaup-
ten, das Publikum wolle diesen Schrott, ist doch Volksverarschung.

Warum lehnen Sie zahlreiche Angebote ab?

Das, was ich mache, muß ich vor mir selbst verantworten können. Nach der Rolle im "Boot" kamen aus Amerika hochdotier-
te Angebote, da sollte ich irgendwelche SS- Schergen spielen. Ich lehnte ab. Kohle kann das nicht ersetzen, um was man
sich im Hirn beschissen hat. Ich überlege mir bei jedem Angebot sehr genau, bevor ich zusage. Da muß alles stimmen: der
Stoff, der Regisseur, die Besetzung. Außerdem muß ich meine Grenzen erkennen und darf nicht glauben: Ich kann alles.

Haben sie schon eine Million auf dem Konto?

Das laß ich lieber unbeantwortet. Ich habe kein schlechtes Gewissen, weil ich mehr verdiene als andere. Aber die Theorie,
jeder hat die gleichen Chancen und muß sie nur nutzen, ist natürlich absurd. Ich bin privilegiert, und das ist mir bewußt.
Deshalb denke ich auch darüber nach, wie ich einen Teil des Geldes zurückgeben kann an die, denen es nicht so gut geht
wie mir.

Überlegen Sie sich deshalb, bei Benefiz- Platten mitzumachen?

Bestimmt nicht, wenn die Barmherzigkeit nur als Alibi dient für den großen Reibach, wo sich so ein paar ganz clevere Ge-
schäftemacher an der Hilfsbereitschaft der Leute wund und blöd verdienen. Das finde ich ekelhaft. Ich bin nur dabei, wenn
alle auf Honorar verzichten: die Musiker, die Komponisten, die Texter, die Plattenfirma - eben wirklich alle. Für die Hungerhil-
fe habe ich mal gesungen, und für Greenpeace oder eine andere Umweltschutzorganisation könnte ich mir das auch vor-
stellen.

Fühlen Sie sich als Softie oder als Macho?

Weder noch. Ich habe so verschiedene Phasen, mal etwas soft, mal ein bißchen härter. Aber ich bin froh, wenn ich mit mir
selber klarkomme, da brauche ich nicht auch noch ein Etikett. Mein Song Männer ist von vielen mißverstanden worden, und
jeder hat die Aussage so gedeutet, wie sie ihm am besten in den Kram paßte. Auch die Feministinnen. Aber grundsätzlich
imponiert mir schon, was die machen.

Erst Musik. Dann Theater. Dann Film. Jetzt wieder Musik. Was kommt als nächstes?

Ich weiß nur, daß ich die verschiedenen Sachen nicht mehr so ineinander verschachteln darf. Ich muß mir mehr Zeit nehmen
für die Musik. Oder für das Schauspielen. Oder für sonstwas.