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Herr Grönemeyer, Ihre neue Single und auch Ihre CD, die im April erscheinen wird, heißt "Bleibt alles anders". Fünf Jahre
nach Ihrem letzten deutschsprachigen Studioalbum: Was ist anders geworden, was ist geblieben?
Das ist sehr gut interpretiert. Auf der Platte geht es um die Stärkung des eigenen Selbstbewußtseins, daß man sein eigenes
Schicksal in die Hand nehmen muß. Was nicht heißt, daß man an allem selber schuld ist. Aber ich glaube, daß man erst,
wenn man sich selber auf die Schulter schlagen kann, in der Lage ist, mit anderen Kontakt aufzunehmen und die Gemein-
schaft zu suchen. Und in der Gemeinschaft läßt sich sicherlich leichter leben, als wenn man als Einzelkämpfer durchs Le-
ben geht. Geblieben ist dieselbe Band, und ich bin auch gleich geblieben. Aber die Platte ist eine Weiterentwicklung. Sie
klingt stärker keyboardorientiert - ich bin ja auch selbst Keyboarder. Für mich war es das Härteste seit dem Album "Bo-
chum", denn dort habe ich auch selbst alle Keyboard-Parts gespielt. Ich finde, die Platte ist zeitgemäß, moderner und auch
in den Texten etwas subtiler.
Warum haben Sie überhaupt diese lange Pause eingelegt - war es eine schöpferische Pause?
Seit 1984 folgte einer Platte ständig eine Tournee und immer so weiter, dazu der ganze Medienrummel. 1993 hatte ich dann
einfach das Gefühl, ich muß mal rechts die Ausfahrt nehmen und mich neu orientieren. Ich bin auch umgezogen - von Köln
nach Berlin - und habe verstärkt begonnen, darüber nachzudenken, was ich will. Wo will ich hin in meinem Leben? Was will
ich künstlerisch erreichen, was will ich beim nächsten Mal den Menschen, die sich mit mir beschäftigen, als Platte vorset-
zen? Es war eine Neuorientierung: Einfach mal raus aus diesem Strudel, dem ganzen Wirrwarr, und das Ergebnis ist jetzt
diese neue Platte. Nach Berlin bin ich gezogen, um mich selbst vor Ort mit dem Ost-West-Verhältnis zu beschäftigen. Die
Stadt hat mich auch sehr inspiriert und mir viel Mut gegeben, etwas Neues zu wagen, weil die Stadt selbst auch spannend
und abenteuerlich ist.
Nicht nur Berlin hat Sie bei Ihrem neuen Album inspiriert, sondern offenbar auch viele andere Städte, denn "Bleibt alles
anders" ist an sehr vielen verschiedenen Orten aufgenommen worden. Wie kam das?
Wir sind sehr lange als Band zusammen, 14 Jahre. Und da ist es wie in einer alten Beziehung, also haben wir uns überlegt:
Wie frischen wir das auf? Und so haben wir uns verschiedene Standpunkte gesucht und versucht, verschiedene Städte zu er-
obern, nicht nur im Studio, sondern auch außerhalb, nachts und tagsüber. So haben wir Songs aufgenommen in Wales, Pa-
ris, Brüssel, London, Düsseldorf und Berlin. Es war für uns eine Reise, um festzustellen, was wir als Band noch zusammen
erreichen wollen. Es hat auch damit zu tun, daß wir nicht ständig an einem Ort zusammensitzen wollten und uns dann ir-
gendwann auf die Köppe hauen. Die verschiedenen Umgebungen haben uns auch inspiriert, und das ist auf der Platte auch
zu merken.
Seit dem Beginn Ihrer Karriere hat sich die Musikszene ja sehr gewandelt und weiterentwickelt - HipHop, Techno, Dance und
viele andere Stilrichtungen sind dazu gekommen. Lassen Sie sich davon musikalisch beeinflussen?
Absolut. Gerade Techno, Drum and Baß und Ambient sind Spielarten, die zeigen, daß in der Kultur eine Rhythmus- Ver-
schiebung stattfindet. Techno ist sehr schnell und sehr gleichförmig, Drum and Baß ist zurückgelehnt und sehr entspannt.
Ich glaube, daß wir lernen müssen, daß es mit unserem westlichen Rhythmus - immer nur nach vorne und jeder gegen je-
den- vorbei ist. Die Chance für uns liegt darin, etwas zu entspannen, uns zurückzulehnen, über uns selbst nachzudenken
und auch die Zeit zu haben, dem anderen mal zuzuhören. Drum and Baß ist für meine persönliche Entwicklung die wichtig-
ste Musik der letzten fünf, sechs Jahre. Ich bin selber ein Power-Typ, ich neige dazu, die Stafetten zu überrennen. Deswe-
gen habe ich meiner Platte jetzt auch eine etwas zurückgelehnte Atmosphäre gegeben - weil ich einfach glaube, daß man
dann das Leben viel differenzierter sieht.
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