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Ich bin nackt zu Playboy gegangen!
Herbert Grönemeyer hat nach fünf Jahren Pause eine neue CD veröffentlicht. Thomas Kielhorn war dabei, als er bei der CD-
Release- Party in Berlin über einen Traum, sein Duschverhalten und Modern Talking erzählte.
Ein bißchen fühlt man sich wie im Deutschunterricht, bei Herbert Grönemeyers Release- Party im Berliner Oxymoron:
Zuerst werden Texte an alle verteilt, dann wird die gesamte neue CD (über 50 Minuten lang) angehört, und zum Schluß fragt
der Lehrer, ob jeder verstanden hat, worum es geht. Fünf Jahre hat sich Grönemeyer mit den Aufnahmen zu "Bleibt alles anders" Zeit gelassen. Nachdem die Töne des letzten Songs verhallt sind, stürmt er sichtlich locker durch die rund 200
Presseleute. Noch ehe jemand die erste Frage stellen kann, sprudelt es aus ihm heraus:
Guten Abend, allerseits. Ich bin selber ganz überrascht, was hier los ist. Ich mache solche Pressekonferenzen ja sehr sel-
ten. Zu der Platte werden wir sicher im Laufe des Abends noch kommen. Ich hoffe, daß Ihr genug Fragen habt und wir einen
halbwegs lustigen Abend hinkriegen. Ansonsten bitte ich um viel Zuspruch und angenehmes Geplapper.
Bereust Du es schon, heute diese Pressekonferenz zu geben?
Das weiß ich morgen. Ich geh da drauf zu wie auf ein ganz normales Rendezvous. Man guckt, was sich ergibt.
Wer verfolgt eigentlich wen im Videoclip zu "Bleibt alles anders"?
Fairerweise muß ich sagen, daß wir uns da nicht soviel bei denken. Die Idee kam von Anton Corbijn, mit dem ich seit zehn
Jahren zusammenarbeite. Der meinte: "Es wäre doch ganz lustig, wenn du dich selber verfolgst, am Ende den alten Herbert
in die Luft sprengst und als zweiter Herbert überlebst. " Ich hab dann gesagt: "Ja, kann man machen. Klingt irgendwie ganz
gut." Es ist nicht so, daß wir stundenlang tiefgründig rumsitzen und diskutieren.
Hat Dein Umzug nach Berlin Deine Arbeit beeinflußt?
Aber absolut. Die Stadt hilft einem, etwas Neues zu probieren. Sie ist so anregend und aufpeitschend, daß man selber das
Gefühl hat, man kann hier nicht mit etwas Altem rumlaufen. Eine Platte ist wie ein Schnappschuß: Sie spiegelt die Zeit wi-
der, die ich an der Platte arbeite und wo ich lebe.
Gehst Du hier auch in Clubs, um zu hören, was angesagt ist?
Zumindest gehe ich viel in Konzerte: die Chemical Brothers, Beck, Pulp, Metallica. Ich kann hier viel mehr rausgehen, denn
die Berliner haben eine sehr liebenswerte Intoleranz. Ob ich irgendwo rumstehe, interessiert niemanden.
Du bist ja bei "Top of the pops" aufgetreten. Strebst Du immer noch eine internationale Karriere an?
RTL hat ja das Format von TOTP aufgekauft, und die Sendung wird jetzt mit deutschen Künstlern aufgefüllt. "Land unter"
aber war zum Beispiel in Holland ein Riesenhit, ohne daß wir Promotion gemacht haben. Mein Traum ist es, irgendwann in
Europa aufzutreten mit deutschen Titeln. Ich habe jetzt aber meine Platte nicht so arrangiert, daß es international klingen
sollte.
Was hältst Du von Guildo Horn und dem deutschen Schlager?
Also ich muß erstmal sagen, das Lied kenn ich gar nicht, weil ich so lange in England war. Traurig, wenn sich die Intellek-
tuellen auf dem Schlagerlevel einigen und die Mittvierziger denken, sie hätten die moderne Musik begriffen. Das ist wirklich
das Treffen auf dem miefigsten deutschen Nenner.
Deprimiert es Dich, daß Modern Talking derzeit Nummer eins in den deutschen Charts ist?
Nein. Also das, was Modern Talking macht, ist mir so schnuppe wie irgendwas.
Wie erklärst Du Dir die derzeitige Politikverdrossenheit?
Die Parteien sind verdammt eng zusammengerückt. Kohl hat in Deutschland so einen gewissen Popstarcharakter. Die Leute
im Bundestag sind ganz beeindruckt und möchten gerne so singen wie er, weil er die meisten Platten verkauft. Schröder ver-
sucht, ihn nachzuahmen, und Fischer hat gesagt, mit Kohl könne man sich gut über Pudding unterhalten. Ich glaube, mehr
Effizienz als das ganze parteipolitische Gesäusel haben außerparlamentarische Aktionen wie Schlingensief, der mit Behin-
derten im KDW einkaufen geht.
Es gibt das Gerücht, daß Du Playboy ein zehnseitiges Interview gegeben und auch die Hüllen fallen gelassen hast.
Ich bin nackt zu Playboy gegangen, um die Redaktion zu überzeugen. Vom Körperbau her sehe ich sehr stark aus. Im Video
kann man sehen, daß ich sehr schöne Beine und ein relativ breites Kreuz habe. Aber da habe ich noch sehr dosiert gearbei-
tet, um nicht alles zu zeigen... Nein, weder habe ich dem Playboy ein Interview gegeben noch werde ich mich für die
ausziehen. Grundsätzlich ist es aber so, daß ich sehr gut aussehe.
Eine Frage, die uns heute abend brennend interessiert: Und wie gehts sonst so?
Auf diese Frage habe ich schon gewartet. Ich bewege mich langsam, dusche 20 bis 25 Minuten, lese Zeitung, gehe in der
Stadt rum und sonst gucke ich auch viel blöd aus dem Fenster. Ich lebe wie jeder andere hier im Raum auch, und der Fami-
lie gehts gut.
Mit diesen Worten endet die Pressekonferenz. Das Buffet ist bereits aufgebaut: Hähnchenschenkel, Shrimpssalat und Ber-
ge von Parmaschinken warten darauf, vernascht zu werden. Ich gehe allerdings erstmal die drei Biere umtauschen. Auf dem
Gang zum Klo kommt mir der Star des Abends entgegen. Er stellt sich neben mir ans Urinal, und nur der grauhaarige Mann
vom Sicherheitsdienst vor der Tür macht mich etwas unruhig. Wenigstens kann ich jetzt sagen, daß ich Grönemeyers Her-
bert gesehen habe. Das ist sogar fast noch besser, als an Blümchens Busen gedrückt zu werden. Wenn ich mit Harald
Schmidt mal Tee trinken war, höre ich auf, für "Cocktail" zu schreiben. Versprochen!
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