ERLKÖNIGLICHES
ERLKÖNIG (Kurzfassung)

Wer reitet so spät
durch Nacht und Wind?
Papi mit Kind.
An Papis Arm - Bubi warm.
Kommt fremder Mann,
quatscht Papi an,
ob Bubi kann.
Papi verneint, Bubi weint.
Anderen Tag: Große Not:
Papi lebendig, Bubi tot!

ERLKÖNIG (polnisch)

Wer reitet so spät durch Nacht, wos ist kalt
Mit Kind auf Rücken durch buschiges Wald?
Ist sich Vater Klopotka, kommt her aus weitiges Weite,
Wo seiniges Freund hat eigenes Kneipe.

Er hat sich gesoffen eins über den Durscht,
Nun ist ihm freilich alles ganz wurscht.
Er hat sich gesteckt noch volliges Flasche
Freund seiniges in Rückentasche.

Sein Kind, was heeßt Antek, noch rotzig und kleen,
Hat sich die Flasche in Tasche gesehn.
Und wie sie so reiten durch buschiges Wald,
Da säuft sich aus Pulle ganz emsig der Balg.

Und wie sie nun reiten durch Weidengestrauch,
Da kratzt sich ein Ast an Antek sein Bauch.
Vor Angst, da schreit er ganz fürchterlich:
Vater, siehst du den Erlkönig nicht?

Klopotka im Dusel brüllt: Puronnje, halt's Maul,
Das ist sich Schwanz von meiniges Gaul!
Er schlägt sich dem Pferde, was springt in die Höh,
Weil Schläge sich tun ganz fürchterlich weh.

Da wird sich ganz schwindlig dem Antek auf Pferde,
Er kotzt sich auf Anzug, er kotzt sich auf Erde.
Er kotzt sich ganz langsam herunter vom Pferde.

Und wieder schreit er ganz fürchterlich:
Vater, siehst du den Erlkönig nicht?
Und als sie nun sind auf Hof eingetroffen,
Ist Klopotka nüchtern und Antek besoffen.
DER PROGRAMMIERKÖNIG

Wer tastet sich nachts die Finger klamm?
Es ist der Programmierer mit seinem Programm!
Er tastet und tastet, er tastet schnell,
Im Osten wird schon der Himmel hell.

Sein Haar ist ergraut, seine Hände zittern,
Vom unablässigen Kernspeicher - Füttern.
Da - aus dem Speicher ertönt ein Geflüster:
"Wer popelt in meinem Basisregister?"

Nur ruhig, nur ruhig, ihr lieben Bits,
Es ist doch nur ein kleiner Witz.
Mein Meister, mein Meister, sieh mal dort,
Da schleicht sich klammheimlich ein Vorzeichen fort!

Bleib ruhig, bleib ruhig, mein liebes Kind,
Ich hol es wieder - doch, doch, ganz bestimmt.
Mein Meister, mein Meister, hörst du das Grollen?
Die wilden Bits durch den Kernspeicher tollen.

Nur ruhig, nur ruhig, das haben wir gleich,
Die sperren wir schnell in den Pufferbereich.
Er tastet und tastet und tastet besessen,
Scheiße! - jetzt hat er zu saven vergessen.

Der Programmierer schreit auf in höchster Qual,
Da zuckt durch das Fenster ein Sonnenstrahl.
Der Bildschirm flimmert im Morgenrot,
Programm ist gestorben, Programmierer - tot.
DER PÄDAGOGISCHE ERLKÖNIG

Wer reitet täglich verzweifelt fast
Durch den Lehrplanstoff mit ständiger Hast?
Wer sind die hastenden, jagenden Reiter?
Es sind die Lehrer, die Klassenleiter!

Herr Lehrer, Herr Lehrer, halten Sie an,
Keiner von uns die Aufgaben kann!
Sei ruhig mein Kind, und red nicht soviel,
Wir müssen erreichen das Klassenziel!

Herr Lehrer, Herr Lehrer, wir kommen nicht mit!
Ach, reiten Sie mal eine Stunde im Schritt!
Sei ruhig, mein Kind, nachmittags um vier
Ist Förderstunde zu Hause bei mir.

Kollege, Kollege es ist Ihre Pflicht
Zu intensivieren den Unterricht!
Jawohl, Herr Schulrat, das wird gemacht,
Ich bereite mich vor schon die halbe Nacht!

Kollege, Kollege, bilde dich ideologisch,
Technisch, fachlich, psychologisch!
Jawohl Herr Schulrat, das tue ich brav,
Ich habe weder Freizeit noch ausreichend Schlaf!

Mein lieber Kollege, bitte nicht fluchen,
Du mußt noch 30 Eltern besuchen!
Jawohl, Herr Direktor, ich werde nicht ruhn,
Am Sonntagnachmittag werd ich es tun.

Herr Lehrer, Herr Lehrer, Du bist doch bereit
Zu verbessern Deine Unterrichtsarbeit?
Sei ruhig, bleib ruhig, lieber Leiter,
Am Sonntagabend mache ich weiter.

Kollege, Kollege es ist doch klar,
Am Montag ist wieder ein Fachseminar!
Ja, Zirkelleiter, sei ohne Sorgen,
Dafür studier ich am Sonntagmorgen.

Kollege, Kollege, bitte notieren,
Die Fachzeitschriften gründlich studieren!
Sei ruhig, bleib ruhig, das läuft nicht verquer,
Die fünf Stunden nehm ich auch noch irgendwoher.

Willst, lieber Kollege, Du gar nicht verstehn?
Du mußt zu jeder Veranstaltung gehen!
Die paar Stunden erübrigst Du schon,
Du bekleidest schließlich eine Staatsfunktion!

Dem Lehrer grauset, er verliert schon sein Haar,
Doch reitet er weiter Jahr für Jahr,
Er erreicht auch endlich mit Mühe und Not
Das Rentenalter, doch tags darauf ist er tot.

Doch hört man heute durch Nacht und Wind,
Daß unser Reiter die Ruhe nicht find,
Weil er immer noch weiter reitet,
Indem er die Qualifizierung der Engel leitet.
DER PS-KÖNIG

Wer quietschet so spät durch unseren Ort?
Es ist der Fahrer eines alten Ford;
Das Steuer hat ihn wohl in seinem Arm,
Es faßt ihn sicher, es hält ihn warm.

O Auto, was birgst Du so bang Dein Gesicht?
Siehst Fahrer, du, die Kreuzung dort nicht?
Die Straßenkreuzung mit Ampel und Schild?
Ach Auto, so glaub mir, das ist gar nicht wild.

Du liebes Auto, komm fahr mit mir;
Gar schöne Unfälle bau ich mit Dir;
Manch bunte Blumen stehn an der Straß;
Meine Werkstatt verdient sich 'ne goldene Nas.

O Fahrer, o Fahrer, und hörest Du nicht,
Was der Engel des Todes mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, das sag ich Dir!
Frohlocke und jauchze; noch leben wir!

O Fahrer, o Fahrer, und siehst Du nicht dort
Die Haube sich wölben vom jaulenden Ford?
O Auto, o Auto, ich seh nichts genau;
Es scheinet die Farbe des Himmels so grau.

Was sitzt da am Steuer für eine Gestalt?!
Die will wohl den Unfall mit aller Gewalt.
O Fahrer, o Fahrer, nun halt endlich an!
Mit quietschenden Reifen ist es nicht getan!

Dem Auto, ihm grausets, es scheppert geschwind,
Der Sprung in der Scheibe macht den Fahrer blind,
Man kommet zum Stehen mit Mühe und Not,
Doch unter der Haube der Ford war tot.
DER ANWALT

Wer schreitet so stolz im schwarzen Gewand?
Es ist der Anwalt und sein Mandant;
Er hat die Akte wohl in dem Arm,
Er ist sich sicher, dem Kläger wird warm.

Mandant, was birgst Du so bang dein Gesicht?
Siehst, Anwalt, Du die Richter denn nicht?
Die Richter dort mit Robe und Schleif'?
Lieber Mandant, die prozessieren wir weich.

Du böser Kläger, komm, her zu mir!
Gar üble Erfolgsaussichten mach ich dir;
Wir haben Dein Glück jetzt in der Hand,
Tönt es vollmundig aus schwarzem Gewand.

Mein Anwalt, mein Anwalt, und hörest du nicht,
Was die Kammer eben mir lauthals verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein lieber Mandant;
Die Kammer, die rede ich an die Wand.

Willst, Kläger, ohne Kohle nach Hause gehn?
Drauf verzichten auf Nimmerwiedersehen?
Der Anwalt findet's bös und gemein,
Die Kammer schießt sich erst richtig ein.

Mein Anwalt, mein Anwalt, und siehst du nicht dort
Die Geschworenen sitzen, man glaubt mir kein Wort!
Mein Mandant, mein Mandant, ich seh es genau:
Der Rechtsstreit geht baden, nun sei aber schlau!

Kläger, mach nicht so 'ne gierige Gestalt,
Denn bist Du nicht willig, so brauchen wir Gewalt.
Im Namen des Volkes, nun schließt den Vergleich!
Dem Mandanten wird mulmig, er ist windelweich.

Dem Kläger grauset's, er vergleicht sich geschwind,
Die Vergleichsgebühr stimmt den Anwalt recht lind,
Die Kammer drückt sich ums Urteil mit Mühe und Not;
In ihren Armen die Akte war tot.
DER ERKÖNIG IN WEIß

Wer rast da so spät durch Nacht und Wind?
Ein Krankenwagen mit Vater und Kind,
Mit Blaulicht und Sirene zum Krankenhaus hin,
Sanitäter vorn und der Arzt hinten drin.

Guter Mann, was bergen Sie so bang Ihr Gesicht?
Sehn Sie, Herr Doktor, diese Wunden nicht?
Wir kriegen Sie wieder hin, Sie und Ihr Kind,
Wenn Sie denn privat versichert sind.

Ich krieg nur Sozialhilfe, wir zwei sind allein,
Leider interessiert sich für uns kein Schwein!
Dann fällt uns für Sie etwas Anderes ein,
Ein Arzt muß auch leben, Sie seh'n das doch ein!

Mein Vater, mein Vater, siehst Du denn nicht,
Diese gierigen Augen im verzerrten Gesicht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind,
Das sieht nur so aus, weil wir aufgeregt sind!

Es tut mir ja leid für Sie, guter Mann,
Und schauen Sie mich nicht so böse an!
Tja, wenn Sie gesetzlich versichert sind -
Müssen Sie sterben, Sie und Ihr Kind.

Mein Vater, mein Vater, und siehst Du nicht hier
Diese langen Zähne, die er fletscht wie ein Tier?
Mein Kind, mein Kind, ich seh es genau,
Das sind alte Kronen, die sind schon ganz grau.

Guter Mann, Sie haben Pech, ich als Arzt hab' es gut!
Keiner vermißt Sie, und ich hab Ihr Blut.
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an,
Der Doktor hat mir ein Leids getan.

Dem Vater grauset, doch nicht mehr sehr lang,
Dann hat der Notarzt seine Pflicht getan,
Gibt nach vorne die Beutel mit Blut so rot,
Im Krankenhaus melden sie: Beide sind tot!
DAS BABY

Wer stinkt so spät durch Nacht und Wind?
Es ist die Windel vom Findelkind!
Du hältst es fest, du hältst es warm,
Doch es stinkt, auf daß es Gott erbarm.
Von Kopf bis Fuß mit Kot beschmiert,
Mit Pampers wär das nicht passiert.
DER EISENBAHNER

Wer rollt so gemütlich mit Rückenwind,
Den Schnellzug am Haken, die Frontscheibe blind,
Es ist der D 0815, mit Diesel bespannt,
Ist drei Stunden zu spät, doch er fährt noch durchs Land.

Es ist fast ein Wunder, denn von den Motoren
Hat einer beim Anfahrn zwei Pleuel schon verloren.
Der andere hat Wasser und arbeitet hydraulisch,
Doch im großen und ganzen, die Fahrt ist erbaulich.

Das Strömungsgetriebe, das poltert und kracht,
Der Steuerölwächter hat sich weggemacht.
Den Ölstand kann man mit Müh noch erkennen,
Und auch ein Magnetventil bekommt schon das Rennen.

Zwei Leistungsschutzschalter, die fielen schon raus.
Auch der Kraftstoff, der wichtige, ist bald aus.
Am hinteren Schaltschrank, da brennen die Lampen.
Und selbst die Spannung fängt an zu schwanken.

Mein Beimann, was birgst du so bang im Gesicht?
Siehst du, Meister die Rauchfahne nicht?
Da ist bestimmt eine Leitung gerissen,
Warum wir noch fahren, das möchte ich wissen!

Die Drehzahl sinkt, der Öldruck wird kleiner,
Von den Scheibenwischern geht nur noch einer,
Aus dem Lager pfeift es wie aus einem Vogelnest,
Am hinteren Drehgestell ist die Bremse fest.

Sie erreichen das Endziel mit Müh und Not,
Starten können sie nicht mehr, die Batterie ist tot,
Und doch sind sie glücklich, es war ihr letzter Kampf,
Ab morgen fahren sie beide, laut Dienstplan, mit Dampf.
DER FLIEGER

Wer fliegt so vermessen bei Schauer und Dreck?
Wer hält seinen Kurs so verbissen und keck?
Es ist der Vater mit Kind und Frau,
Den Flugschein hat er zwei Wochen genau.

Oh Vater, wie schaukelt das Flugzeug so wild,
Wann kommt denn die Nordsee, wann sind wir auf Sylt?
Ach, Sohn, verschone mit Fragen mich jetzt,
Ich glaube, der Wind hat uns böse versetzt!

Oh Vater, oh Vater, ich seh gar nichts mehr,
Nur schwarze Waschküche rund um uns her!
Mein Sohn, man findet nun mal die Sicht
Im Cumulusnimbus meist besser nicht!

Dem Vater grauset, er fliegt geschwind,
Die Mutter wimmert, es kotzt das Kind.
Der Kreiselkompaß klebt fest auf Nord,
Dafür wandert der andere unmerklich fort.

Man fliegt schon vier Stunden, der Treibstoff wird knapp,
Da blickt der Filius durch Zufall herab:
Sieh, Vater, die Erde, ein Wolkenloch dort!
Schnallt fest Eure Gurte, wir landen sofort!

Es kracht bei der Landung, das Flugzeug ist hin,
Der Vater blickt starr zu dem Wegweiser hin:
Nur siebenmal einen Kilometer genau
Per Landstrasse nach Oberammergau!